Weil sie Unterschriften für eine Petition sammelten, die das Ende der Diskriminierung von Frauen im Iran fordert, droht zwei iranischen Frauenrechtlerinnen eine sechsmonatige Haftstrafe. Die Inhaftierung von Fatemeh Masjedi und Maryam Bidgoli ist jederzeit möglich.
Die Neuerung in der Verfolgung der Frauenrechtlerinnen durch die iranischen Behörden ist, dass zum ersten Mal ein Gericht solch eine Kampagne als Gruppe beurteilte, welche die nationale Sicherheit stört.
Am 29. Dezember 2010 wurden die beiden Frauen nun aufgefordert, innerhalb von drei Tagen die Haftstrafe anzutreten. Weil weitere Rechtsmittel gegen Urteil und Strafmaß noch anhängig sind, befinden sie sich angeblich weiter in Freiheit. Die tatsächliche Inhaftierung könnte jedoch jederzeit umgesetzt werden.
In Übereinstimmung mit Meldungen iranischer Medien und Menschenrechtsorganisationen berichtete Amnesty International, dass die Frauen schon am 7. Mai 2009 festgenommen wurden.
Grund für die Festnahme durch die Polizeikräfte in der islamischen Theokratie war die Sammlung von Unterschriften für die Beendigung der rechtlichen Diskriminierung von Frauen im Iran.
Fatemeh Masjedi und Maryam Bidgoli wurden schließlich Ende August 2010 von einem „Revolutionsgericht“ in Qom, einer heiligen Stadt für Schiiten, zu einer einjährigen Gefängnisstrafe wegen “Verbreitung von Propaganda gegen die Regierung für eine feministische Gruppe“, welche sich gegen das bestehende System richtet, verurteilt.
Zudem wurde ihnen eine Geldstrafe von zusammen 200 bzw. 100 US-Dollar auferlegt, meldete die iranische Menschenrechtsorganisation „Rahana“.
Zum Vorteil bei einem späteren Urteilsspruch gereichte den zwei mutigen Frauenrechtlerinnen, dass sie bisher keine Eintragungen im Strafregister hatten. Nach zwei Wochen Arrest im Gefängnis von Qom wurden sie gegen eine Kaution von 20.000 US-Dollar vorläufig auf freien Fuß gesetzt, was etwa vier durchschnittlichen Jahreseinkommen entspricht.
Ein Grund für die Bestätigung des Richterspruchs war laut Urteil des Berufungsgerichts, dass beide Frauen “einen Brief unterzeichnet hatten, in dem die Menschenrechtssituation im Iran angeprangert wurde und in dem stand, dass der Iran der Kandidatur für einen Sitz in der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau nicht würdig sei und dass die Präsenz des Irans in dieser Kommission eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit weltweit darstellen würde”, so Amnesty International. Das Strafmaß wurde schließlich auf ein halbes Jahr reduziert.
Amnesty International berichtete weiter, dass zum ersten Mal ein Gericht geurteilt hat, solche politischen Kampagnen wären als eine Gruppe anzusehen, welche „die nationale Sicherheit“ stört. Zuvor waren vergleichbare Anklagen in erster oder zweiter Instanz mit einem Freispruch fallen gelassen worden.
Fatmeh Masjedi aus Teheran war im Dezember 2010 von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient sogar eine Mitarbeiterstelle zur Promotion in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekt angeboten worden.
Obwohl einige Grundsätze der Gleichstellung aller Staatsbürger ohne Rücksicht auf das Geschlecht in der iranischen Verfassung festgeschrieben sind, resultiert die in der derzeitigen Republik faktisch unablösbare Unterordnung unter Regeln der Religionsführer und laut Verfassung “islamische Prinzipien” in einer weitverbreiteten Wirkungslosigkeit entsprechender Vorgaben.
Die “Internationale Gesellschaft für Menschenrechte” in Frankfurt a. Main erklärt, in der “Islamischen Republik Iran gelten Frauen de facto als Menschen zweiter Klasse.”
Bei der „International Campaign for Human Rights in Iran“ heißt es, die Urteile über die beiden Frauen seien “klare Manifestationen einer richterlichen Ablehnung von Meinungsfreiheit“. Die Organisation „Ranah“ schreibt, dass Masjedi und Bidgoli verurteilt wurden, „trotzdem ihre Aktivitäten mit islamischen Ansichten vereinbar waren.“
Amnesty International plädiert deshalb dafür, die staatlichen Autoritäten umgehend durch E-Mails und Luftpostbriefe an Behörden und diplomatische Vertretungen von der Inhaftierung Masjedis und Bidgolis abzubringen.
Versuche, Vorgaben der UN-Menschenrechtscharta zukünftig wieder stärker spezifisch religiösen Vorstellungen unterzuordnen, häufen sich auch in Europa und der Bundesrepublik Deutschland.
Die Zeitschrift „Materialien und Informationen zur Zeit“ berichtete in ihrer dritten Ausgabe 2010, es mache in kirchennahen Kreisen „derzeit eine Definition von Religionsfreiheit die Runde, die auf eine Konfrontation mit dem nicht nur in säkularen Kreisen vorherrschenden Verständnis der Menschenrechte angelegt ist.“
Als ein öffentlichkeitswirksamer Protagonist wird der Journalist Alexander Kissler angegeben, welcher in Medien für einen Vorrang der Religionsfreiheit im Konfliktfall eintritt. „Kein anderes Bekenntnis ist ihr vorgelagert“, so Kissler im Online-Magazin „The European“. Er meinte, lediglich Gewaltanwendung und Strafgesetze würden die Ausübung der Religionsfreiheit begrenzen können.
Der Hintergrund der Bestrebungen in den westlichen Gesellschaften liegt nahe. Ein gegenüber den religiösen Lehren der Religionen wachsendes und kritisches Bewusstsein von immer säkulareren Gesellschaften soll der Eindruck vermittelt werden, die Positionen religiöser Überzeugungen hätten gegenüber der traditionell klar definierten Systematik zentraler Dokumente über die Menschenrechte eine Vorrangstellung.
Anlässlich der zahlreichen religiös inspirierten Gewalttaten gegen Menschen mit christlicher Konfession durch Anhänger des Koran erfolgte besonders in den vergangenen Monaten eine immer intensivere Beschwörung der „Religionsfreiheit“ durch die Kirchenvertreter in Politik und Gesellschaft in Deutschland.
Die evangelische Bundeskanzlerin Angela Merkel erfand zuletzt sogar eine Ordnung von „großen“ Menschenrechten, obwohl dieses Verständnis bewährtere Grundsätze zur Auslegung völkerrechtlicher Normen ohne plausiblen Grund verwirft.
Quelle: wissenrickt.de
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