Wissen Sie, was es bedeutet, in Farben gefangen zu sein? Das fragt Delara Darabi. Die Gefangene bin ich, erklärt die 20-Jährige, eine zum Tode verurteilte junge Frau aus der Stadt Rasht im Norden Irans. Bereits seit meinem vierten Lebensjahr pflegte ich mein Leben mit den Farben zu teilen, bis ich sie irgendwann durcheinander brachte. Es geschah, als ich 17 wurde. Statt Himmelblau nahm ich knallrot, ich malte grau, obwohl hellblau die richtige Farbe gewesen wäre. Ich habe die Farben verloren und das einzige Porträt, das ich nun vor Augen habe, ist das einer Wand in meiner Zelle.Delara's BilderEs sind drei Jahre vergangen seit jenem Tag, an dem Delara und ihr Freund Amir Hossein, ein junges Paar, das bald heiraten wollte, verzweifelt in einer schwierigen finanziellen Lage eine 65-jährige Cousine ihres Vaters überfielen und sie dabei tödlich verletzten. Damals war Delara 17 Jahre alt und minderjährig. Das brachte Amir Hossein auf die Idee, ihr den Mord anzuhängen, um als Volljähriger nicht gehängt zu werden. Vor der Tat hatte noch der eigentliche Mörder, Amir, Delara starke Beruhigungstabletten gegeben, ein paar Tropfen Wasser auf das brennende Feuer der jungen Künstlerin. Sie ließ sich schnell überreden und bekannte sich zum nicht begangenen Mord. Im Gericht aber staunte sie nicht schlecht, als sie das Urteil hört: „Tod durch Erhängen!“ Die Anträge des Verteidigers sind zwecklos. Die zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig gewesene Delara wird beide Male für schuldig befunden und ihr Verlobter schweigt! Jetzt fehlt nur noch die endgültige Entscheidung des Staatsanwalts und der Knoten im Seil kann schon gemacht werden. Delara ist keine Ausnahme. Dutzende Kinder, die sich strafbar gemacht haben, werden jährlich in der Islamischen Republik ins Gefängnis gesteckt. Nach dem Vollenden des 18. Lebensjahrs fällt das Urteil nach dem Strafgesetz der Erwachsenen und das bedeutet bei schwerwiegenden Fällen in der islamischen Gesetzgebung Steinigung, Hängen, Gliederamputation oder lebenslängliche Freiheitsstrafe. Paragraph 49 des Strafgesetzes der Islamischen Republik Iran erklärt Jungen im Alter von fünfzehn Jahren und Mädchen bereits mit neun Jahren für volljährig, somit wird die körperliche Reife der geistigen gleichgestellt und das Kind für seine Handlung verantwortlich gemacht. Das seit drei Jahren vorliegende Projekt „Gericht für Jugendliche“ wird vom Parlament nicht beschlossen, das Warten in der Todeszelle auf „Volljährigkeit“ ist bloß eine Prestigesache.Delara wird demnächst zu Unrecht gehängt werden und zwar in einem diktatorischen Staat mit stumpfsinnigen mittelalterlichen Gesetzen, in dem Recht und Unrecht oft kurzerhand Platz tauschen. In einem von islamischen Klerikern seit 28 Jahren ausgebeutet und zugrunde gerichteten reichen Land, wo 40% seiner Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Hier haben Wörter wie Gerechtigkeit, Freiheit, Recht, Würde und Ordnung längst eine andere Bedeutung. Es ist nicht Delara, die die Farben nicht gut erkennt, es sind die Farben, die sich mit der Zeit zu Schwarz angepasst haben.Von Ramin für INN
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen